Leserbrief zum Verkauf der LBBW-Wohnungen
Als Bewohner_innen des 4-Häuser-Projekts, einem Wohnprojekts im Mietshäuser Syndikat, wollen wir unseren Unmut und unsere Entrüstung über das Verfahren beim bislang größten Immobilienverkauf Baden-Württembergs – die 24000 Wohnungen der Landesbank – zum Ausdruck bringen. Unter größter Geheimhaltung läuft aktuell die entscheidende Phase des Verkaufs von Wohnraum für 60000 Menschen und es steht zu befürchten, dass ein Augsburger Immobilienspekulant das Rennen macht. Die Landesregierung scheint der Tatsache bisher gleichgültig gegenüber zu stehen, dass hier im ganz großen Stil bezahlbarer Wohnraum zunichte gemacht wird.
Zum Hintergrund: Die Landesbank Baden-Württemberg hatte sich in den Turbulenzen um die Finanzkrise massiv verspekuliert und bekam von der EU die Auflage sich umzustrukturieren, um Finanzhilfen ihrer Eigner_innen in Anspruch nehmen zu dürfen. Deshalb entschied die LBBW, sich von ihrer kompletten Immobiliensparte zu trennen. Betroffen sind o.g. 24.000 Wohnungen mit rund 60.000 Mieter_innen. Diese sollen als Gesamtpaket verkauft werden. Alleine das 4-Häuser-Projekt in Tübingen, eines der jüngsten Projekte im Mietshäuser Syndikat, schaffte es, seine Häuser noch vor der Ausschreibung aus dem Gesamtpaket heraus zu kaufen. Für die restlichen Wohnungen wird nun befürchtet, dass ein Großinvestor mit Profitinteressen als Käufer auftritt. Neben einem Zusammenschluss öffentlicher Träger, dem Baden-Württemberg-Konsortium, das noch am ehesten sozialverträgliche Mieten garantieren kann, ist die Augsburger Immobilien-AG „Patrizia“ sehr gut im Rennen. Diese Firma gibt sich nach außen hin ein soziales Antlitz, zeichnet sich aber vor allem dadurch aus, übernommene Wohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Auch um den Kaufpreis in die Höhe zu treiben, habe es Mieterhöhungen von bis zu 20 Prozent binnen kürzester Zeit nach Patrizia-Übernahme gegeben (vgl. Süddeutsche Zeitung, auch Mieterbund).
Finanzminister Schmid versteckt sich in seiner Antwort auf eine Anfrage der CDU nach dem Vorkaufsrecht für öffentliche Träger hinter wirtschaftsliberalen EU-Auflagen, die dies angeblich verhindern (Landtagsdrucksache 15/623 vom 29.9.2011). Es ist schlichtweg unbegreiflich mit wie viel Gleichmut die Landesregierung den – im stillen Kämmerlein abgewickelten – Verkauf von zigtausenden Wohnungen abnickt, ohne beispielsweise durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit politischen Druck auf die LBBW auszuüben, die Wohnungen an das BW-Konsortium zu verkaufen. Stillschweigend wird hingenommen, dass nach Erfüllung eines sozialen Mindeststandards die Interessen eines Großinvestors über das Schicksal von 60000 Mieter_innen entscheiden. Es steht zu befürchten, dass v.a. die LBBW-Wohnungen an attraktiven Standorten wie Freiburg oder Stuttgart saniert und meistbietend weiterverkauft werden und somit für sozial schwächere Menschen dieser Wohnraum unzugänglich wird. Dass es auch anderes gehen kann, beweisen Wohnprojekte im Mietshäuser Syndikat -einem bundesweiten Zusammenschluss selbstverwalteter Wohnprojekte mit dem Ziel, Häuser der Spekulation zu entziehen und dauerhaft sozialverträgliche Mieten zu gewährleisten.
Wir lehnen den Verkauf an einen Immobilienspekulanten ab und fordern die Regierung auf, sich offensiv für den Verkauf an die öffentlichen Träger und den Erhalt dieses Wohnraums auch für Durchschnitts- oder Geringverdiener_innen einzusetzen!
Tobias Kröll, Judith Janschewski und Silke Burgdorf-Jakobi für das 4-Häuser-Projekt
(Leserbrief an das Schwäbische Tagblatt)